Abschlussfahrt der Klasse 10b nach Danzig
Augustum-Annen-Gymnasium
Montag, den 16.06.
Vor der Entscheidung über das Reiseziel standen uns zwei Möglichkeiten zur Auswahl: eine selbstgestaltete Klassenfahrt zu einem frei gewählten Ziel oder ein vororganisiertes Angebot – Danzig oder Krakau. Nach Beratung mit den Lehrkräften, untereinander und mit Empfehlungen älterer Bekannter entschied sich unsere Klasse für die Fahrt in den Norden. Aufgrund dieser Empfehlungen und des öffentlichen Interesses an der Stadt Danzig war die Vorfreude bei den meisten Schülerinnen und Schülern groß.
Danzig spielte bereits im Mittelalter und in der Renaissance eine bedeutende Rolle als Handelsstadt. Schon 1361 wurde sie als Teil des Deutschordensstaats Mitglied der Hanse. Auch später, als Teil des Königlichen Preußens unter polnischer Herrschaft, blieb Danzig ein wichtiger Standort – insbesondere als einziger polnischer Überseehafen.
Nach über einem Jahrhundert unter deutsch-preußischer Herrschaft brach der Erste Weltkrieg aus. In der Folge wurde Danzig zu einer Freien Stadt, unabhängig von Polen und Deutschland. 1939 begann der Zweite Weltkrieg mit dem nationalsozialistischen Angriff auf die Halbinsel Westerplatte in Danzig.
Auch nach dem Krieg, als Danzig mit einer neuen Bevölkerung Teil des wiedererstandenen polnischen Staates wurde, blieb die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt erhalten. Einer der größten Häfen Polens befindet sich hier, ebenso wie jahrzehntelang der bedeutendste polnische Industriebetrieb: die Danziger Werft. In dieser Werft entstand auch die polnische Freiheitsbewegung Solidarność.
Unsere Klasse startete die letzte gemeinsame Klassenfahrt um 8 Uhr mit der Hinfahrt nach Danzig. Mit nur wenigen Pausen kamen wir gegen 17 Uhr im Hotel an. Jeder richtete sich in seinem Zimmer ein. Um 19 Uhr trafen wir uns zu einem gemeinsamen Abendessen. Nachdem alle gegessen hatten, gingen einige zurück auf ihre Zimmer, andere machten noch einen kurzen Abstecher zum Mini-Supermarkt "Żabka". Um 22 Uhr gaben uns die Lehrkräfte die wichtigsten Informationen für den nächsten Tag und wünschten uns eine gute Nacht.
Dienstag, den 17.06.
Am Dienstag verbrachten wir den ganzen Tag in der historischen Altstadt von Danzig. Nach dem Frühstück fuhren wir mit dem Bus in das Stadtzentrum und begannen unsere Besichtigungstour mit dem Uphagen-Haus – einem beeindruckenden Bürgerhaus aus dem 18. Jahrhundert, das uns einen Einblick in das Leben einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie der damaligen Zeit gab. Danach spazierten wir über die berühmte ulica Długa (Lange Gasse), wo wir zahlreiche restaurierte Häuser mit prächtigen Fassaden bewundern konnten. Dort sahen wir unter anderem den Langen Markt mit dem Neptunbrunnen und das prächtige Rechtstädtische Rathaus.
Nach der Führung nahmen wir an einem spannenden Stadtspiel teil, bei dem wir in kleinen Gruppen Aufgaben lösen und versteckte Orte in der Altstadt entdecken mussten. So konnten wir auf spielerische Weise unser Wissen vertiefen und die Stadt auf eigene Faust erkunden. Besonders viel Spaß machte es, mit anderen Passanten ins Gespräch zu kommen oder historische Details an Gebäuden zu finden, die man sonst leicht übersehen hätte.
Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten, die wir während des Tages bewunderten, gehörten das Goldene Tor, das Grüne Tor sowie das Krantor – eines der Wahrzeichen der Stadt. Auch die Marienkirche, eine der größten Backsteinkirchen der Welt, beeindruckte uns mit ihrer Größe und schlichten Schönheit. Die Atmosphäre der Stadt, die direkt an der Mottlau liegt, war lebendig und gleichzeitig geschichtsträchtig.
Besonders eindrucksvoll war, wie gut die Altstadt von Danzig restauriert und gepflegt ist – trotz der fast vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Beim Bummeln über die ulica Długa spürte man regelrecht den historischen Charakter der Stadt. Die prachtvollen Bürgerhäuser, verzierten Fassaden und engen Gassen vermittelten ein Gefühl dafür, wie bedeutend Danzig früher als Handelsstadt gewesen sein muss.
Durch seine Lage an der Ostsee und den Zugang zur Mottlau und Weichsel entwickelte sich Danzig bereits im Mittelalter zu einem wichtigen Knotenpunkt im Handel zwischen Ost und West. Als Mitglied der Hanse war die Stadt über Jahrhunderte wirtschaftlich einflussreich – dieser Reichtum spiegelt sich bis heute in der Architektur und den historischen Gebäuden wider. Für uns war es faszinierend zu sehen, wie Geschichte, Kultur und moderne Stadtentwicklung hier aufeinandertreffen. Danzig ist nicht nur ein schönes Reiseziel, sondern auch ein Ort mit tiefer historischer Bedeutung, die man vor Ort ganz unmittelbar erleben kann.
Mittwoch, den 18.06.
Am Mittwoch erlebten wir einen weiteren spannenden Tag auf unserer Klassenfahrt in Danzig. Am Vormittag trafen wir uns mit unserer Führerin am Solidarność-Zentrum. Das Europäische Solidarność-Zentrum (Europejskie Centrum Solidarności) befindet sich direkt neben dem historischen Eingangstor zur ehemaligen Danziger Werft. Es wurde 2014 eröffnet und ist ein Museum sowie Bildungszentrum, das die Geschichte der Solidarność-Bewegung und der friedlichen Freiheitsbewegungen in Mittel- und Osteuropa dokumentiert. Die multimediale Ausstellung beeindruckt mit originalen Exponaten, Zeitzeugenberichten und interaktiven Stationen. Das Gebäude selbst ist architektonisch besonders auffällig und soll an ein Schiff erinnern – ein Symbol für die Werftarbeiter und ihren Kampf um Freiheit.
Die Führung war zwar ziemlich lang und stellenweise auch anstrengend, insgesamt aber sehr spannend und bewegend. Besonders beeindruckend war die Geschichte des Arbeiterstreiks in den 1980er-Jahren, der in der Danziger Werft seinen Anfang nahm. Die gesamte Führung regte dazu an, über das Streben nach Gerechtigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt nachzudenken.
Am Nachmittag fuhren wir nach Sopot an den Strand. Dort stand uns der gesamte Nachmittag zur freien Verfügung. Viele von uns verbrachten die Zeit am Strand oder schlenderten entlang der Promenade. Sopot ist ein beliebter Badeort an der polnischen Ostseeküste und gehört zur sogenannten Dreistadt (Danzig–Sopot–Gdynia). Besonders bekannt ist die Seebrücke von Sopot – die längste hölzerne Seebrücke Europas. Neben dem breiten Sandstrand bietet der Ort zahlreiche Cafés, Restaurants und Boutiquen entlang der belebten Monte-Cassino-Straße.
Am frühen Abend gingen wir noch einmal gemeinsam als Klasse essen und fuhren anschließend mit dem Bus zurück ins Hotel.
Donnerstag, den 19.06.
Am Morgen des 19.06.2025 fuhren wir mit dem Bus auf die Westerplatte, eine Halbinsel im polnischen Gdańsk. Vor Ort erfuhren wir mehr über die geologische Entstehung der Halbinsel und besichtigten anschließend Ruinen aus dem Zweiten Weltkrieg. Unsere Gruppenführerin, die uns bereits in den vergangenen zwei Tagen begleitet hatte, erzählte uns von der historischen Bedeutung der Westerplatte und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs in Europa.
Am 1. September 1939 um 4:45 Uhr eröffnete das deutsche Kriegsschiff *Schleswig-Holstein* das Feuer. Zuvor war es mit angeblich friedlichen Absichten in den Hafen eingelaufen und hatte lediglich Offiziersanwärter an Bord – tatsächlich befanden sich jedoch rund 300 Sturmsoldaten der Wehrmacht unter Deck, die die Westerplatte vom Land aus angreifen sollten. Der Beschuss der polnischen Munitionsdepots war der erste militärische Akt des Zweiten Weltkriegs.
Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit – es standen nur 88 polnische Soldaten unter dem Kommando von Major Henryk Sucharski zur Verfügung – leisteten die Verteidiger sieben Tage lang erbitterten Widerstand gegen Angriffe zu Wasser, zu Lande und aus der Luft. Erst am 7. September mussten sie sich geschlagen geben. Ihr mutiger Einsatz wurde in ganz Polen zum Symbol des Widerstands gegen den nationalsozialistischen Überfall. Heute erinnert ein großes Denkmal mit symbolischen Gräbern der gefallenen polnischen Soldaten an diesen historischen Ort und seine Bedeutung.
Anschließend fuhren wir zurück in die Stadt Danzig, zur Polnischen Post. Auch hier sind Spuren des deutschen Überfalls sichtbar. Unsere Gruppenführerin erklärte uns, dass es sich damals um die Polnische Post in der Freien Stadt Danzig handelte. Am 1. September 1939 griffen deutsche Einheiten auch dieses Gebäude an, das von rund 50 polnischen Postbeamten und Freiwilligen tapfer verteidigt wurde. Sie leisteten Widerstand gegen schwer bewaffnete Truppenverbände der Wehrmacht, Polizei und SS. Der Kampf dauerte etwa 14 Stunden. Am Nachmittag, als das Gebäude von Panzern an der Vorderseite besetzt wurde und keine Aussicht auf weitere Verteidigung bestand, versuchte der Postdirektor Dr. Jan Michoń mit einer weißen Fahne die Kapitulation einzuleiten. Doch kaum hatte er das Gebäude verlassen, wurde er sofort erschossen. Kurz darauf trat eine zweite Person mit weißer Fahne hinaus – sie wurde grausam mit einem Flammenwerfer getötet. Nach diesem brutalen Vorgehen sahen die verbliebenen Verteidiger keine Möglichkeit mehr zur Flucht oder zum Widerstand und kamen schließlich freiwillig aus dem Gebäude. Die meisten von ihnen wurden später von den deutschen Besatzern zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen.
Heute befindet sich in dem Gebäude ein Museum, das derzeit umgebaut wird. Im Hinterhof steht ein Denkmal für die erschossenen Verteidiger der Post. Vor dem Gebäude befindet sich ein weiteres Denkmal: Es zeigt einen sterbenden polnischen Soldaten, der sein Gewehr der Göttin Nike übergibt, während Posttauben über ihn hinwegfliegen. Die Verteidigung der Polnischen Post in Danzig gilt – ebenso wie die der Westerplatte – bis heute als beeindruckendes Beispiel für Mut, Opferbereitschaft und den ungleichen Kampf gegen den nationalsozialistischen Überfall.
Freitag, den 20.06.
Der Morgen des 20.06. und damit unseres letzten Tages begann früher als an den vorherigen Tagen. Da wir bereits um neun Uhr die Marienburg besichtigen wollten, mussten wir um 7:35 Uhr auschecken. Nachdem alle Koffer pünktlich im Anhänger des Busses verstaut worden waren, fuhren wir etwa eine Stunde zur Marienburg.
Die Marienburg ist die größte erhaltene Backsteinburg Europas und zählt seit 1997 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sie wurde im 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden als Festung und Verwaltungszentrum erbaut. Im Mittelalter war sie eines der bedeutendsten Machtzentren in Osteuropa. Nach wechselvoller Geschichte wurde sie im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und später aufwendig rekonstruiert. Heute gilt sie als eines der eindrucksvollsten Beispiele mittelalterlicher Wehrarchitektur in Europa.
Dort erhielten wir Audioguides auf Polnisch und Deutsch, die uns nahezu narrensicher durch die Burg führten. So erkundeten wir rund zwei Stunden lang die Anlage und lernten viel über die gotische Architektur, deutsche sowie polnische Geschichte und den Alltag der Brüder des Deutschen Ordens. Zudem gab es Ausstellungen zu Bernstein, orientalischen Waffen und der Herstellung von Buntglasfenstern.
Die Tour endete etwas früher als erwartet. Nachdem auch die letzte Person am Treffpunkt eingetroffen war, konnten wir – natürlich nicht ohne ein abschließendes Klassenfoto – die Heimreise antreten. Unterbrochen von ein paar Pausen verlief die Rückfahrt nach Görlitz reibungslos, wo wir bereits von unseren Eltern empfangen wurden.
Damit endete unsere letzte gemeinsame Klassenfahrt.
Wir bedanken uns bei der Sanddorf-Stiftung für die finanzielle Unterstützung unserer Klassenfahrt.
